Poesie

| Eisallee. |

Es regnete Glasscherben,
sie zerschnitten, die Konturen,
Licht reflektiere die Schnittwunden.
Blutrot rann es herab.
Glanz ertränkte meinen Blick.
Einen Schritt vorwärts tretend, fühlte ich Wasser
durch den Stoff meiner Schuhe sickern.
Ein Schwall von Sorgen, sog mich hinab in die Tiefe.
Ertrank mein Wissen, meine Reue, meine Standhaftigkeit.
Hatte keinen Halt, er hatte sich im Dunst aufgelöst.
Bäume flogen kreuz und quer.
Häuser fielen um und streiften den Himmel.
Die Uhr der Zeit hatte sich verselbstständigt,
die Sanduhr wurde wieder voller, statt leerer.
Der Himmel tat sich auf, warf Menschen herab.
Meine Augen vor Angst geschlossen,
berührten mich die leichenblassen Gestalten.
Ein Schauer durchzog mich, ließ mich erkalten.
Reglos lagen sie um mich herum.
Wollte ihnen Leben einhauchen.
Sturm kam auf, verdunkelte die Umgebung,
es blitzte, donnerte.
Verzweiflung breitete sich wie eine Schneedecke
über dem Land aus.
Aus brauner Erde wurde kaltes Eis.
Meine Haut wurde nach und nach kalt,
wurde hart,
die Starre packte mich und ließ nicht wieder von mir ab.
Schneeflocken erschwerten meine Wimpern,
Luft bekam ich nicht.
Aus Verzweiflung wurde pure Angst.
Etwas regte sich.
Auf der Straßenseite gegenüber brannte eine Laterne.
Schwacher Schein erleuchtete das, was unter ihr war.
Eine Pistole, schwebend,
auf mich gerichtet.
Die Sekunden zogen sich wie Stunden.
War gefangen, die Kälte ummantelte, die Angst packte mich.
Der Lebenswille wuchs.
Ich würde warten bis das Eis schmolz.
Würde es schaffen.
Würde wieder Farbe in der Welt finden.
Würde die Leichen wieder leben sehen.
Meine Mundwinkel zogen sich nach oben,
ein Eiszapfen fiel.
Die Gleichgültigkeit verschwand.
War bereit für alles einzustehen, für alles, was man Leben nannte.
Plötzlich erstarb jegliche Regung in mir, Euphorie tanzte mit der Panik.
Soeben ertönte ein lautes, bedrohlich klingendes Geräusch.
Ein Knall.
Richtung Leben, Richtung Tod.

© Nelli H.

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Poesie

| Steg |

Auf dem Steg,
zwischen damals und heute.
Er wippt und scheint zu reden.
Dröhnt.
Bringt meinen Kopf zum Vibrieren.
Steh‘ still.
Bloß nicht rühren.
Wasserspiegel unter mir.
Zeigt Szenen meines Lebens.
Spult vor, spult mal zurück.
Hypnotisierende Zeitlupe.
Wolken schieben
sie fort,
drängen sich auf.
Lassen alles verschwinden.
Kurzzeitiger Frieden.
Dann ein Platschen.
Der Verstand setzt aus,
sieht nur.
Sieht ihm hinterher.
Meinem Herzen.
Treibend,
auf dem Wasser.
Richtung Zukunft.

© Nelli H.

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Poesie

| Momente |

Hinabfallende Momente.
Beruhigend.
Manchmal.
Schnell vorüber.

Beeilen wir uns,
können wir sie erblicken.
Können erkennen,
was wir vorher nicht
wussten.
Nicht wissen wollten.

Momente, die uns prägen.
In unser Fleisch schneiden.
Unsere Sehnen durchtrennen.
Uns verloren zurücklassen.

Momente, die uns auffangen.
Uns festhalten, uns wiegen.
Uns zeigen, was wir können.

Momente, die uns vergessen lassen,
dass wir einsam sind.
Die uns zärtlich umgarnen.
Uns durchs Haar fahren und flüstern,
wie wertvoll wir sind.

Momente.
Einzigartig.
Flüchtig.

Alles.

© Nelli H.

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Poesie

Gedankenlos.

Wasserrauschendes Meergefecht ertränkt mich,

Vorgelgesang lässt mich vergessen, für einen Moment.

Gewitterndes Windgeflüster versetzt mich in Trance.

Gedanklich sitz‘ ich auf einer Bank,

getränkt ins Glücksgefühl.

Der Himmel, fast durchsichtig, so klar.

Lässt mich erkennen des Vorhangs Geheimnis.

© Nelli H.

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Poesie

Fortlaufend.

Als würde sich das Innerste das erste mal dem Äußeren entgegenstrecken.
Seine kleinen Finger der Einsamkeit nach den fallenden Blättern, die das Licht brechen, recken. Eine kleine Bewegung der Freiheit ausführen.
Doch unsicher wie es ist, schreckt es bei jedem Windhauch zurück. Zieht sich zusammen. Versteckt sich immer weiter hinter der Fassade.
Der Fassade des Zusammenseins, die die dunklen Schatten mit Licht flutet. Die kleinen Finger neigen sich immer weiter der Handfläche zu. Ballen eine Faust. Verkrampfen.
Der Film des Sommers zieht vorüber. Erinnerungen hallen wie Schritte auf dem Asphalt. Mal laut, mal leiser. Stimmen, die zerren, springen verhöhnend von Klippen direkt in unser Herz. Die Wellen spülen die Liebe davon, nehmen alles mit, was sie bekommen. Die Erinnerungen verblassen, lassen schroffe Gedanken zurück. Doch irgendwann sind auch diese fort.
Aus Sommer ist Winter geworden.

© Nelli H.

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